... danach ...
Schmerznovelle
"...So, als hätte ich schon lange nicht mehr gelebt, und immer nur, was lebendig war, aus sicherem Abstand heraus betrachtet.
Es gibt eine Lust, die sich als erotische Laune verkleidet. Diese Lust ist aller festgezimmerten Konstrukte der Selbstbehütung müde. Sie begibt sich freiwillig in Gefahr, weil die Stagnation der eigenen Existenz einer Blutauffrischung, einer Auflockerung bedarf. Oder eines Aderlasses. Je nachdem. Wie ein Spieler am Roulettetisch legt man eine Summe fest, die verspielt werden kann und sogar soll. Und ahnt doch, dass es dabei längst nicht bleiben wird. Diese sonderbare, scheinbar unkontrollierte Erregung erinnert von Ferne an das Alter um die Zwanzig, man fühlt sich jugendlich, spürt die Schauer im Unterarm, die elektrischen Ströme in den aufgestellten Härchen, man glaubt, den eigenen Körper ganz als Geflecht elektrischer Impulse wahrnehmen zu können. Aber es ist eben keine ahnungslose, naiv dahintreibende Lust mehr, sie besitzt ein Ziel, ist verdorben, geschult, der Grausamkeit näher als dem Eros." aus: Helmut Krausser: Schmerznovelle.
... davor ...
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