Nachdem so ziemlich alles, was ich für sicher hielt zerbrach, habe ich erst mal eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen. Aber diese kleine Karte vermag nicht, mich nachhaltig zu beruhigen.

Was hier zu lesen ist geschieht/geschah, aber nicht unbedingt an den Tagen, an denen die Texte erscheinen. Es ist die Wahrheit und es sind Möglichkeiten, die erwogen aber nicht oder noch nicht wahr wurden.

Eine Hoffnung ist, dass sich dadurch alles klärt, aufklärt und ertragbar gemacht wird. Durch die Arbeit an den Texten, das intensive Nachdenken. Wenn hier Optionen aufgeschrieben werden, werden sie greifbarer und vielleicht eher zu einer Wahrheit, als wenn sie nur gedacht würden.

Sie trägt eine lila Latzhose und eine "Atomkraft - Nein Danke!"-Uhr. Sie hat rot(gefärbte) Haare und ich mag sie gerne. Sie setzt sich zu mir auf den Boden in meinem Kinderzimmer und sagt, dass sie mir nichts wegnehmen möchte. Ich weiß, dass sie das gar nicht kann und sage ihr das auch.

Dann verschwindet sie auf einmal aus unserem Leben. Die Geschäftsreisen in ihre Stadt werden seltener. Ich vergesse sie nicht, sondern muss oft an sie denken.

Als sich der Sturm gelegt hat, ich wieder einigermaßen klar denken kann, reiße ich den Brief einfach auf. Es ist mir egal, dass er nicht an mich gerichtet ist. Dieser Vertrauensbruch wiegt nicht so schwer, wie der, den ich in den Zeilen des Briefes vermute.

Kann man, darf man das gegeneinander abwiegen? Diese Frage verblasst hinter den Worten, die ich atemlos lese. Und dann wird alles klar. Mein ganzes Leben wird durchgerüttelt, umsortiert und ist nicht mehr wie es einmal war.

Ich lasse den Brief offen liegen und werde warten, ob einer kommt, um mich aufzuräumen.

Der Umschlag ist aus Umweltschutzpapier. Das habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Die Absenderin: Der Vorname wie ein Sturm, der Nachname löst einen Sturm in mir aus.

Ich denke an die alten Geschichten, in denen Umschläge mit Wasserdampf geöffnet werden. Ich weiß, dass man das sehen würde. Ich lasse den Brief ungeöffnet und lege ihn hin, für den, an den er adressiert wurde. Und frage mich, ob ihn der Inhalt des Briefes wegblasen kann.

An dem Tag, an dem die Zeit umgestellt wird auf Sommerzeit, wird die Uhr um eine Stunde zurückgedreht. Ich hatte mir mal überlegt, dass das ja ist wie eine Zeitmaschine. Man lebt eine Stunde anders, als man es sonst machen würde. Wagt Dinge zu tun und zu sagen, die man sonst nur denkt. Wenn die Stunde vorbei ist, kann man einfach die Uhr zurückdrehen und alles wäre wie immer.

Ich habe es einmal versucht. Ich wollte diese Stunde der zwischen-Zeit nutzen. Die Worte waren zurechtgelegt, tausendmal gedacht, nie gesagt. Natürlich hat es nicht geklappt. Der, dem die Worte gegolten hätten, war nicht für mich da. Aber es hätte sowieso nicht funktionieren können. Es ist nun mal so, dass man nur sein eigenes Leben leben kann.